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AutorenbildJulia Schallberger

Kolumne Gedankenstrich: Geschmackssache - Aronia

Erschienen im Wochenblatt, am 3. August 2023

Aroniabeeren am Strauch in Nuglar
Aroniabeeren am Strauch, Nuglar, © Julia Schallberger

Vor Kurzem sind wir umgezogen und der Natur in Nuglar etwas näher gerückt. Im Gleichzug wurden uns einige Obstbäume und ein verwunschener Garten anvertraut. Kaum im neuen Heim angekommen, streiften unsere Zwillinge schon den Büschen nach und steckten sich unzählige Wald-, Johannis- und Himbeeren in den Mund. Und dann erst die Kirschenzeit: freiwillig kletterten sie auf Leitern, um uns beim Pflücken zu helfen. Ganz im Sinne von: die einen ins Krättchen, die andern ins Mäulchen. Welch ein Segen, dass unsere Kinder diese feinen und zugleich gesunden Früchte massenweise konsumieren. Kompensiert dies doch gleich mein schlechtes Gewissen, dass letzte Woche wieder dreimal Pasta ("ohne Grünzeugs!") auf dem Plan stand, nur damit die Kleinen wacker assen.

Einige Lebensmittel punkten bei der Mehrheit leichter als andere. Dennoch bleibt Geschmack individuell, wenngleich beeinflusst durch kultureller Einflüsse, genetische Veranlagung und persönliche Erfahrungen.


Doch ist Geschmack nicht auch Übungssache? So ist etwa bekannt, dass Säuglinge und Kleinkinder bitteres Gemüse vorwiegend ablehnen, weil ihr Körper dieses zum Selbstschutz als potentiell giftig einstuft. Dennoch kann ein Kind schon bald darauf zum Olivenfan avancieren. Vorlieben sind nicht in Stein gemeisselt. Eine verbreitete Theorie besagt, dass ein unbekannter Geschmack zehn bis fünfzehnmal probiert werden muss, bis er Gewohnheit wird. Wollen wir unseren Kindern eine breite Geschmackspalette vermitteln, kommen wir nicht umhin, Verschmähtes immer wieder anzubieten. Doch wie experimentierfreudig sind wir denn als Erwachsene? Wie häufig wählen wir im Supermarkt ein unbekanntes Produkt? Und wie gross ist unsere Kenntnis über heimische, saisonale Pflanzen, die uns zu jeder Jahreszeit mit den nötigen Nährstoffen versorgen, ohne dass wir zu den beliebten Import-Exoten greifen?


Geschmackssache - Aronia

Kürzlich bin ich einer neuen Frucht begegnet. Es war alles andere als Liebe auf den ersten Blick. Trotzdem liess mich der Geschmack nicht los. Ich spreche von der Aronia, auch bekannt als Apfelbeere oder Schwarze Eberesche. Die dunkelviolette Beere erinnert in Form und Grösse an eine kleine Traube. Beim Verzehr spürt man erst eine leichte Süsse, gefolgt von einem herben Unterton. Dieses Zusammenspiel irritierte mich zunächst, ebenso das trockene, leicht pelzige Mundgefühl. Ich fragte mich, was ich mit der Pflanze anfangen sollte, wächst sie doch recht üppig in unserem Garten. Laut Recherche kann man sie trocknen, als Tee oder im Müesli verwenden, Marmelade oder Saft daraus machen. Die adstringierende Wirkung, die durch die Tannine hervorgerufen wird, soll durch die Weiterverarbeitung gemindert werden. Was mich noch mehr faszinierte, war die Tatsache, dass keine Frucht mehr Anthocyane besitzt, als die Aronia. So wird sie nicht nur bei Herz- und Augenleiden empfohlen – sie soll gar vor Krebs schützen.


Ursprünglich kommt die Frucht aus Nordamerika und dem Süden Kanadas. Allmählich wird sie aber auch in der Schweiz zur Trendfrucht. Ihre Ansprüche an den Boden sind gering. Gegen Schädlinge, Frost und Regenzeiten ist sie widerstandsfähig. Warum also lange überlegen? Die Erdbeerzeit ist vorbei und die Kirschen fielen bereits der Kirschessigfliege zum Opfer. Das Klima verändert sich und die Natur mit ihr. Mit Geschmackssache hat dies nichts zu tun. Ich selbst aber kann wachsam und neugierig bleiben, meine Palette erweitern und die Vielfalt der Natur bewahren. Und ich stecke mir die nächste Aronia in den Mund.


Julia Schallberger, August 2023

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1 Comment


Rebekka Stöcklin
Rebekka Stöcklin
Sep 01, 2023

Lustig, mir ging es dieses Jahr gleich. Zwar nicht im Garten, sondern auf dem schönen Spielplatz in Nuglar habe ich diesen Strauch mit denn dunklen Beeren entdeckt. Ein bisschen enttäuscht war ich jedoch schon, da mir die Süsse und das Sauere gefehlt haben. Und ich war mir auch nicht sicher, ob ich den Geschmack und die Konsistenz mochte - und bin es bis jetzt nicht😅… Aber du hast mir nochmals einen Anstoss gegeben - nächstes Jahr werde ichs wieder versuchen ☺️

Herzliche Grüsse

Rebekka

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